Der erbrechtliche Konflikt – 1. Teil

Zurück zum Erbrechts-Blog

„Erben und Vererben“ sind konfliktträchtige Angelegenheiten. Das ist keine neue Erkenntnis. Allein in der Geschichte Europas gab es unzählige Erbfolgekriege. Diese gingen im Regelfall weit über interne Familienstreitigkeiten hinaus. So führte etwa der Pfälzische Erbfolgekrieg (1688–1697) zur weitgehenden Verwüstung der Pfalz durch französische Truppen und der Österreichische Erbfolgekrieg (1740–1748) zog fast ganz Europa in militärische Auseinandersetzungen hinein.

Auch in der realgesellschaftlichen Moderne sind Erbstreitigkeiten bis heute an der Tagesordnung – wobei sie glücklicherweise meist nicht als länderübergreifende Erbfolgekriege geführt werden. Ein Millionenpublikum verschlingt Presseveröffentlichungen über Erbstreitigkeiten im Hause Luhmann, Udo Jürgens, Helmut Kohl, Bruno Schubert oder Michael Jackson – und denkt ernsthaft darüber nach, ob die Yorkshire-Terrierin Daisy Moshammer Erbin eines Millionenvermögens werden könne oder nicht.

Sie sehen schon: Konfliktentstehung nach einem Erbfall kann oft nicht vermieden werden. Wobei natürlich auch das keine neue Erkenntnis ist. Der Erblasser mag noch so sehr der Ansicht sein, er habe in seinem Testament eine faire Lösung gefunden und mag noch so gut beraten worden sein. Doch wenn die Erben die Anordnungen als ungleich und ungerecht empfinden, kommt es unweigerlich zu Konflikten.

Die Beschäftigung mit erbrechtlichen Konflikten im weiten Sinne stellt den Alltag des erbrechtlich tätigen Rechtsanwalts dar. Ausgehend vom Ansatz der »Best Practice« muss ich mir als Anwältin in Bezug auf den geschilderten Konflikt überlegen, welche Strategie zum besten Ergebnis führt. Dazu muss ich mir viele Fragen stellen:

  • Muss irgendeine rechtliche Frage zwingend gerichtlich entschieden werden?
  • Überfordert es die Streitparteien in Bezug auf ihr Verständnis oder ihre finanziellen Möglichkeiten, in einen langen Prozess zu investieren?
  • Kommt eine außergerichtliche Einigung in Betracht?
  • Wer sind die am Konflikt (tatsächlich) Beteiligten?
  • Welche (wahren) Absichten haben die Konfliktparteien?
  • Wie sind die familialen Beziehungen?
  • Gab es frühere Erbfälle, die latent Konfliktpotenzial ausstrahlen?
  • Wie hat sich der Konflikt entwickelt?
  • Warum ist die Streitpartei jetzt beim Anwalt?

Erst wenn ich Antworten auf diese Fragen habe, kann ich damit beginnen, eine Strategie zu entwickeln, mit der ich die Interessen meiner Mandantin bzw. meines Mandanten wirklich nach bestem Wissen und Gewissen vertrete.

Mehr dazu demnächst in Teil 2 meiner Betrachtungen zum erbrechtlichen Konflikt ...